Xi wiederholte hauptsächlich bekannte Sätze. „Gemeinsam können wir der Welt mehr Stabilität und Sicherheit bringen“, sagte er der Kanzlerin und fügte hinzu, dass China nicht in die Ukraine-Krise verwickelt sei.
Zweifellos hätten Xi Jinpings Aussagen, dass die chinesisch-deutsche Zusammenarbeit kein Risiko, sondern eine Chance sei, bei Schulz Anklang gefunden.
Dies gilt insbesondere, weil seine Politik eine faktische Fortsetzung des pragmatischen China-Ansatzes Angela Merkels darstellt, den sie während ihrer 16-jährigen Amtszeit vertrat und der beiden Seiten ungeachtet der Kritik in Deutschland und Brüssel enormen Wohlstand bescherte.
Wenn es Zweifel gab, dass Schulz dazu neigte, den Status quo beizubehalten, so ist dieser nun verflogen. Sein Besuch machte deutlich, dass die Wirtschaft Vorrang hat – was sich auch daran zeigt, dass er drei Tage in China verbrachte, sein längster bilateraler Besuch seit seinem Amtsantritt.
Interessanterweise reisten mit Schulz deutsche Wirtschaftsführer sowie die Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verkehr – nicht jedoch der Außenminister. Schulz machte zudem deutlich, dass „kein Interesse an einer wirtschaftlichen Abkopplung von China“ bestehe.
Die Botschaft an Peking war daher klar: Die deutsche Bundeskanzlerin reist mit einer Delegation drei Tage lang in drei verschiedene Städte, wobei der Schwerpunkt vor allem auf Wirtschaftsthemen liegt, bevor sie mit Xi weitere entscheidende Themen anspricht.
Es ist unklar, ob Schulz bei seinem Besuch Menschenrechtsfragen angesprochen hat. Wie kam Berlin also vom harten Ton gegenüber China im letzten Wahlkampf und sogar im vergangenen Jahr – der Begriffe wie „wertebasierte“ Außenpolitik beinhaltete – zu einem Business-as-usual-Ansatz?
Aber der Hauptgrund für Schultz‘ Vorgehensweise ist Selbsterhaltung. Die Umfragewerte der Großen Koalition sind miserabel. Die Sozialdemokratische Partei von Schulz liegt mit 15 Prozent auf einem Tiefpunkt und liegt damit hinter der rechtsextremen Partei Alternative für Deutschland (18 Prozent) und der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands zurück, die laut Politico 30 Prozent erhielt.
Ebenso schlecht sind die Zustimmungszahlen von Schultz. In einer Statistica-Umfrage im vergangenen Januar, in der die Deutschen zu seiner Leistung als Kanzler befragt wurden, sagten 67 Prozent „schlecht“. Vor zwei Jahren dachten 71 Prozent, er sei in „guter“ Verfassung. Wenn morgen Wahlen stattfinden, wird Schulz wahrscheinlich nicht Kanzler bleiben.
Wie in den meisten Industrieländern werden auch in Deutschland Wahlen in erster Linie von der wirtschaftlichen Lage und der Persönlichkeit des Führers bestimmt. Zu Schulz‘ Bestürzung steckt die deutsche Wirtschaft seit vier Jahren in der Krise. Im vergangenen Monat mussten die führenden Wirtschaftsinstitute des Landes ihre Wachstumsprognosen für dieses Jahr korrigieren: Sie senkten sie von 1,3 Prozent auf nur noch 0,1 Prozent.
Dafür gibt Schulz gerne anderen die Schuld – vor allem dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, der mit seinem Krieg in der Ukraine für einen wirtschaftlichen Schock gesorgt hat. Das mag zwar vernünftig sein, ist aber keine gültige Entschuldigung. Auch andere Länder waren betroffen – allerdings erholten sich deren Volkswirtschaften schneller.
Die hässliche Wahrheit ist, dass die Stärke der deutschen Wirtschaft eng mit ihren Handelsbeziehungen zu China verknüpft ist. Im Jahr 2019 machten die deutschen Exporte 48,5 % der gesamten EU-Exporte nach China aus.
Trotz der Rede vom „Risikoabbau“ hat sich Deutschland unter Schulz nicht von China abgewendet
Trotz der Rede vom „Risikoabbau“ hat sich Deutschland unter Schulz nicht von China abgewendet
Ohne dieses Zweckbündnis wird sich die deutsche Wirtschaft in einer echten Krise befinden, die nicht vor der nächsten Wahl gemildert werden kann, und das weiß Schulz wie Merkel vor ihm.
Aber Deutschland wird nicht dabei sein. Als die harte wirtschaftliche Realität sein Land erreichte, war Schulz gezwungen, alle idealistischen Ansichten zugunsten der Realpolitik aufzugeben – zum Wohl des Landes und seines eigenen.
Thomas O. Falk ist Journalist und Politikanalyst und schreibt über deutsche, britische und amerikanische Politik
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