Während sich Deutschland auf die Ausrichtung der Fußball-Europameisterschaft 2024 vorbereitet, spielt die Weltmeisterschaft 2006 – das letzte große internationale Fußballturnier auf deutschem Boden – weiterhin eine prägende Rolle im kollektiven Bewusstsein der Nation.
Das Turnier, das heute allgemein als „Sommermärchen“ bekannt ist, gilt als der Moment, in dem ein geeintes Deutschland die Schatten seiner dunklen Vergangenheit abschüttelte und der Welt ein neues, modernes Gesicht zeigte.
Auf dem Feld überwand das von Jürgen Klinsmann trainierte deutsche Team die hohen Erwartungen vor dem Turnier und erreichte das Halbfinale.
Obwohl Deutschland in der Verlängerung gegen den späteren Weltmeister Italien verlor und schließlich Dritter wurde, begann mit seiner Leistung ein Jahrzehnt der Dominanz, das mit dem Sieg bei der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien seinen Höhepunkt fand.
Außerhalb des Spielfelds veränderte das Turnier nicht nur die Art und Weise, wie die Welt Deutschland sah, sondern auch die Art und Weise, wie Deutschland sich selbst sah.
Philipp Lahm, ein Schlüsselspieler des Jahres 2006, der Deutschland acht Jahre später zum Sieg bei der Weltmeisterschaft führte, sagte gegenüber AFP: „2006 konnten wir erleben, dass die ganze Nation hinter der Mannschaft stand und uns Energie gab.“
„Feiern tut gut. Die Leute kommen hier nach Deutschland und feiern gemeinsam ein großes Fest.“
– „Wo sind all die Deutschen?“ –
Der deutsche Sportsoziologe und Philosoph Gunther Gebauer sagte gegenüber AFP, dass das Turnier eine überraschende und nachhaltige Wirkung gehabt habe.
„Vor dem Turnier war die Stimmung in Deutschland sehr schlecht, das Wetter war schlecht und der Fußball war schrecklich.
„Und dann begann die Weltmeisterschaft, und beim ersten Spiel Deutschlands gegen Costa Rica schoss Philipp Lahm ein Tor und die Sonne ging auf, das war wie aus der Bibel.“
Gebauer, der in einem bürgerlichen Vorort Berlins lebte, sah, wie einer seiner Nachbarn von seinem Balkon aus die Deutschlandfahne hisste, die aufgrund der Vorbehalte des Landes gegenüber Nationalismus nach dem Zweiten Weltkrieg zuvor als „Tabu“ galt.
„Von dort aus haben wir die deutschen Fahnen gesehen und bei deutschen Spielen die Nationalhymne gesungen – das gab es vorher nicht.“
Die Auflösung interner Vorbehalte führte dazu, dass die WM-Besucher eine andere Seite sahen als die aufrechten Deutschen, die die aus nationalen Stereotypen bekannten Regeln durchsetzten.
„Ausländer, die nach Deutschland kamen, freuten sich über das deutsche Publikum.
„Die Engländer haben gefragt, wo all die verdammten Deutschen sind? Wir sind einfach überall auf freundliche Leute gestoßen, die gefeiert haben.“
Wolfgang Meinig, der Ruderer, der 1988 bei den Olympischen Spielen in Seoul die Goldmedaille für Deutschland gewann, ist heute Professor für Sportökonomie an der Universität Hamburg.
– 'Der Wohlfühleffekt' –
In einem Interview mit AFP sagte Mennig, dass der wirtschaftliche Nutzen von Großveranstaltungen zwar oft minimal sei, „der Wohlfühleffekt aber im Mittelpunkt der WM 2006 stand“.
Vor der WM galten „die Deutschen nicht als Weltspitze, wenn es um die Begrüßung ging“, nach 2006 „hat sich Deutschland in der internationalen Wahrnehmung deutlich verbessert“.
„Ich denke, Ausländer sehen uns ganz anders, nicht mehr als unaufregende oder etwas seltsame Menschen, sondern als offene und glückliche Menschen, was uns mit unserem Selbstverständnis vertrauter gemacht hat.“
„Das deutsche Volk ist etwas weniger streng geworden. Es fühlt sich wohler und selbstbewusster darin, die Siege der Nationalmannschaft zu feiern“, sagte Jan Hout, Sportsoziologe an der Goethe-Universität, gegenüber AFP.
Er fügte hinzu: „Etwas Neues ist, dass den Deutschen selbst bewusster geworden ist, dass das Image Deutschlands in anderen Ländern gar nicht so schlecht ist, wie die Deutschen dachten.“
– „Das kann nur Fußball“ –
Obwohl 18 Jahre vergangen sind und sich Deutschland und die Welt verändert haben, bleiben viele Gemeinsamkeiten bestehen.
Deutschland wird erneut von wirtschaftlicher Unsicherheit, Infrastrukturproblemen und der Angst vor Leistungsschwächen auf dem Spielfeld geplagt.
Die Aufmerksamkeit der Welt werde wieder auf Deutschland gerichtet sein, sagte Ott, „für immer und ewig.“
„Im schlimmsten Fall kann es zu Überraschungen kommen – vielleicht merken die Leute, dass es in Deutschland im Moment nicht so gut läuft, etwa im öffentlichen Nahverkehr.“
Nach zwei demütigenden Ausscheiden in der Gruppenphase der Weltmeisterschaft in Folge hat Deutschland unter Trainer Julian Nagelsmann Lebenszeichen gezeigt.
Sie haben im Jahr 2023 nur drei ihrer elf Spiele gewonnen, erholten sich aber im März mit starken Siegen über Frankreich und die Niederlande.
Unabhängig vom Ergebnis der Mannschaft bei dem Turnier könne Deutschland auf den verbindenden Einfluss des Nationalsports zählen, sagte Meinig.
„Als Ruderer sage ich das mit etwas Traurigkeit in der Stimme, aber nur Fußball kann Menschen auf diese Weise zusammenbringen. Cafés und Restaurants zeigen die Spiele auf Bildschirmen und man kann in freundlicher Atmosphäre sitzen und zuschauen.
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